Im Interview: Bruno Krucker und Michael Gnos

Michael Gnos (links) ist seit 1. Juli 2019 Nachfolger von Bruno Krucker (Bild: Patrik Ettlin).

Bruno Krucker, Schulleiter der Höheren Fachschule Bürgenstock, ist in Pension gegangen. Das Urgestein der VSSM-Bildungsstätte hat das Zepter an Michael Gnos übergeben. Ein Gespräch über Stärken und Schwächen der Schule und die Herausforderungen in der Zukunft.

Martin Freuler, SchreinerZeitung - 4. Juli 2019
 

SCHREINERZEITUNG: Mit Bruno Krucker tritt der Mann ab, der während 35 Jahren den Betrieb auf dem Bürgenstock prägte wie kein anderer. Michael Gnos, wird es Ihre Aufgabe jetzt in erster Linie sein, der Schule frischen Wind einzuhauchen?

MICHAEL GNOS: Natürlich ist es sicher so, dass ich an gewisse Themen anders herangehe als Bruno Krucker. Ich bin ja auch keine genetische Kopie, also wird es Änderungen geben. Gleichwohl steht die HF Bürgenstock sehr gut da, wir haben in der Vergangenheit einiges richtig gemacht.

Es ist unter dem neuen Schulleiter kein Kurswechsel, kein Umbau zu erwarten?

MICHAEL GNOS: Wir werden uns jetzt sicher nicht von einem Tag auf den anderen in eine komplett andere Richtung bewegen. Als stellvertretender Schulleiter war ich schon bisher in alle wichtigen Entscheidungen eingebunden. Wir haben die Ziele gemeinsam erarbeitet, dahinter stehe ich.

BRUNO KRUCKER: In der Tat haben wir ein sehr gutes Fundament geschaffen. Schon vor einigen Jahren haben wir die Führungsinstrumente wie Businessplan und andere überarbeitet und an die neuen Herausforderungen angepasst. Dies immer auch im Hinblick darauf, dass hier irgendwann eine andere Person am Ruder sein wird. Heute verfügt die Schule über topmoderne Leitungsstrukturen und ein Team, das diese voll mitträgt. Es wäre sogar seltsam, würde durch den Wechsel des Schulleiters jetzt alles auf einen Schlag umgekrempelt werden. Wobei natürlich absolut logisch ist, dass Michael Gnos eine eigene Handschrift hat und Herausforderungen anders anpackt als ich.

MICHAEL GNOS: Hinzu kommt, dass es in der Anfangsphase vor allem darum geht, den Betrieb reibungslos weiterzuführen. Wir sind eine Schule, und wer dieser vorsteht, darf eigentlich für die Studierenden keine grosse Rolle spielen. Die Leute, die bei uns eine Ausbildung absolvieren, sollen also nicht gross spüren, dass jetzt ein Neuer im Chefbüro sitzt. Das heisst aber nicht, dass wir nichts zu tun haben. Durch meinen Funktionswechsel gibt es innerhalb des Teams mehrere Änderungen: Stefan Portmann übernimmt die Leitung Diplomausbildungen und Seminare, die ich bisher innehatte. Und an seine Stelle tritt Andreas Niederberger, der bei uns neu anfängt. Wir haben also aufs Mal drei personelle Wechsel zu meistern, was schon eine ziemlich grosse Herausforderung ist.

Auch Sie sind schon einige Jahre an der HFB tätig. Was ändert sich jetzt für Sie?

MICHAEL GNOS: Es ist sicher vieles neu, ich habe jetzt die Gesamt- und nicht mehr nur eine Teilverantwortung. Als Nächstes geht es darum, das Budget 2020 unter Dach und Fach zu bringen und die Weichen zu stellen für die kommende Zeit. Das ist aber längst nicht alles. Als Bereichsleiter des VSSM bin ich Mitglied der Geschäftsleitung und kann dort den Verband aktiv mitgestalten, worauf ich mich besonders freue. Und eine Hauptaufgabe wird in den nächsten Monaten sein, mein Netzwerk zu stärken, neue Leute kennenzulernen. In diesem Punkt habe ich sicher noch einiges wettzumachenim Vergleich zu Bruno Krucker, der alle kennt, die in der Schreinerbranche und im Bildungswesen etwas zu sagen haben.

Es kommt viel Arbeit auf Sie zu. Wann haben Sie sich entschieden, dass Sie sich als Schulleiter bewerben wollen?

MICHAEL GNOS: Der Entscheid ist mit der Zeit gereift. Das ist aber nicht so zu verstehen, dass ich seit Jahren darauf aspiriert hätte. Vielmehr bin ich vor einem Jahr zum Schluss gekommen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, diesen Schritt zu machen. Ich bin 44 Jahre alt, bin seit 5 Jahren Mitglied der Schulleitung, seit 11 Jahren Kursleiter. Da war es irgendwann klar, dass ich diese Herausforderung annehmen möchte. Natürlich war es für mich absolut zentral, dass mich die Familie unterstützt und auch das Team auf dem Bürgenstock voll hinter mir steht. Einen wichtigen Startvorteil habe ich: Ich kenne den Betrieb schon sehr gut. Ich habe mich nicht für eine Aufgabe beworben, die mir total unbekannt war. Ich kann von meinen Erfahrungen profitieren.

Bruno Krucker, auch Sie stehen vor einem neuen Lebensabschnitt. Ist es schwierig für Sie, den Bürgenstock in neue Hände zu übergeben?

BRUNO KRUCKER: Natürlich bedeutet die Pensionierung eine grosse Veränderung für mich. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass es mir gelingen wird, loszulassen. Als Bildungsschaffender ist man von Natur aus mit seinen Gedanken immer in der Zukunft.Schon seit zwei Jahren beschäftige ich mich mit dem Schritt, in Rente zu gehen. Und ich habe mich immer wieder gefragt, wie das für mich sein wird. In den nächsten Wochen werde ich mich in der Tat etwas zurücklehnen. Das bin ich meiner Frau schuldig, die mir angeboten hat, dass wir zuerst einmal zwei Monate Ferien machen. Was danach kommt, ist schwierig zu sagen. Ich hoffe, dass ich nicht einer jener Pensionäre werde, die immer eine volle Agenda haben. Ganz werde ich in Zukunft nicht auf den VSSM verzichten müssen. In einem kleinen Mandatsverhältnis werde ich noch als Bildungscoach und in der Mitarbeiterförderung für den Verband tätig sein.

Also doch ein bisschen Wehmut – nach 35 Jahren Bürgenstock?

BRUNO KRUCKER: Ja gut, Wehmut ist nach einer so langen Zeit natürlich schon dabei. Aber ich habe mich ja auf meinen Rückzug einstellen können, das ist nicht überraschend gekommen. Und ich habe ein sehr gutes Gefühl für die Schule, was den Abschied auch erleichtert. Sie ist gut aufgestellt und funktioniert auch ohne mich problemlos weiter, da bin ich absolut sicher. Sehen Sie: Zum Thema Betriebsübergabe bieten wir Kurse und Beratungen an. Wenn es uns nicht gelingen würde, den Betrieb sauber zu übergeben, wäre das nicht gut.

Werfen wir einen Blick zurück auf die 35 Jahre von Bruno Krucker an der HFB. Immer wieder hört man, dass sich die Bildungslandschaftin dieser Zeit massiv gewandelt hat. Was ist auf dem Bürgenstockheute anders als damals?

BRUNO KRUCKER: Es ist in der Tat extrem, was sich getan hat. Vor 35 Jahren waren wir zu zweit auf dem Bürgenstock und machten sozusagen alles, vom Hüten des Telefons bis zum Unterrichten. Man konnte sich bei uns das Rüstzeug für die Meisterprüfung aneignen und diese auch auf dem Bürgenstock absolvieren. Mehr gab es nicht.

Das ist heute anders?

BRUNO KRUCKER: Absolut! So wie damals kämen wir heute nicht mehr durch. Wir haben uns immer wieder an neue Vorgaben angepasst, die der VSSM machte oder die sich einfach durch den Wandel der Zeit gestellt haben. Es war unser ständiges Ziel, nicht bloss einfach Schule zu geben. Wir fragten uns immer: Wie können wir die Kursteilnehmenden über das hinaus fördern, was in den Lehrbüchern steht? Denn sie sollen nicht nur Fachwissen vermittelt bekommen, sondern beispielsweise auch Sozialkompetenz. Diesem Anspruch sind wir bis heute treu geblieben. Und er stellte uns natürlich vor grosse Herausforderungen. Immerhin mit dem positiven Effekt, dass dadurch die Arbeit während 35 Jahren nicht einen Tag langweilig geworden ist.

MICHAEL GNOS: Bruno Krucker war ein Treiber in Sachen Schulentwicklung und neue Lernformen. Die Schule ist unter ihm immer mit der Zeit gegangen und hat neue Trends einfliessen lassen. Deshalb stellt sich heute auch nicht die Frage, ob ich alte Zöpfe abschneiden soll. Es gibt keine. Besonders hervorheben möchte ich den gesamtheitlichen Ansatz, den Bruno Krucker gerade erwähnt hat. Dieser hebt uns ab von anderen Bildungsinstitutionen, macht uns quasi einzigartig. Wir müssen das auch sein, denn wir sind eine von zwölf Schulen, die Angebote haben für Schreiner. Wir verstehen uns untereinander sehr gut. Aber klar, es herrscht Mitbewerbertum. Wir stellen uns diesem, indem wir eine Nische besetzen, indem man bei uns mehr bekommt als ein Diplom nach einer Ausbildung.

Auffallend ist, dass die HFB sehr viele Weiterbildungsseminare anbietet, teilweise sogar irgendwo im Unterland, also nicht am Sitz der Schule ...

BRUNO KRUCKER: Das breite Angebot an Weiterbildungen gehört ebenfalls zu unserer strategischen Ausrichtung. Im Bereich Diplomausbildungen, die uns mehr als zur Hälfte auslasten, gibt es sehr viele Vorgaben, der Spielraum ist gering. Bei den Weiterbildungen und Seminaren sind wir dagegen sehr frei, wir können schnell auf eine Entwicklung reagieren. Ich erwähne dazu gerne als Beispiel den Schreiner-Vorbereitungskurs bezüglich Anschlussbewilligung für Elektrogeräte. Die Regionalisierung, die Sie auch angesprochen haben, machen wir in Zusammenarbeit mit den Sektionen. Sie hilft uns, eintägige Kurse vor der Haustür unserer Kunden anbieten zu können. Denn für einen Tag, das sehen wir ein, fahren nicht alle mit Freude auf den Bürgenstock.

MICHAEL GNOS: Das hat sich sehr bewährt. Wie übrigens auch die enge Zusammenarbeit mit anderen Verbänden und Organisationen. Die Ausbildung zum Türplaner ist ein Produkt in Kooperation mit dem Türenverband VST, jene zum Sicherheitsspezialisten haben wir in Zusammenarbeit mit dem Verein Sicheres Wohnen Schweiz entwickelt. Mit Küche Schweiz sind wir ebenfalls eng verbunden. Und nicht zuletzt haben wir auch viel Know-how im VSSM.

Sie sind überzeugt, dass die HFB eine Zukunft hat. Wird sie ihre Stellung in der Bildungslandschaft halten können?

MICHAEL GNOS: Wir müssen darauf achten, dass wir weiterhin am Ball bleiben, und das auch zusammen mit anderen Höheren Fachschulen. Denn wenn ich mich umhöre, stelle ich fest, dass alle mit einem ähnlichen Problem kämpfen: dem steigerungswürdigen Stellenwert der HF-Ausbildungen im schweizerischen Bildungssystem. Die Konferenz der Höheren Fachschulen, in der wir auch vertreten sind, möchte eine Aufwertung erreichen, sodass Absolventinnen und Absolventen auf dem nationalen und internationalen Arbeitsmarkt konkurrenzfähiger sind. Das befürworten wir, denn das ist der einzig richtige Weg. Doch wir müssen aufpassen, denn eine Aufwertung kann auch Risiken bergen. Wenn sie zum Beispiel darauf hinausläuft, dass man als HF eine gewisse Grösse haben muss, um die Anerkennung des Bundes zu erhalten, können wir als kleine HF nicht mehr mithalten. Das gilt es unbedingt zu verhindern.

BRUNO KRUCKER: Man sollte schauen, dass die HFB den erfolgreichen Weg gezielt weitergeht. Es gibt noch Potenzial nach oben, etwa im Bereich der Firmenschulungen. Das hat grosse Zukunft, und wir können in solchen Themen unsere Stärken gut ausspielen. Und dann gilt es auch noch, etwas Wichtiges zu verteidigen: Die HFB geniesst weitherum einen hervorragenden Ruf. Wenn das so bleibt, sehe ich wenig Probleme auf die Schule zukommen. Jetzt liegt mir persönlich noch etwas am Herzen ...

Ja, bitte. Was denn?

BRUNO KRUCKER: Eingangs dieses Interviews haben Sie betont, dass ich 35 Jahre lang bei der HFB tätig war. Es muss an dieser Stelle unbedingt gesagt sein, dass man nur so lange am gleichen Ort bleibt, wenn man einen guten Arbeitgeber hat. Ob im Team auf dem Bürgenstock, in der VSSM-Geschäftsleitung oder in der Zusammenarbeit mit dem VSSMZentralvorstand: Ich habe mich immer getragen gefühlt und die Arbeit als angenehm und spannend erlebt. Ich hatte während 35 Jahren einen Traumjob und möchte mich bei allen dafür bedanken.

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