SchreinerZeitung - 18. Oktober 2018
SCHREINERZEITUNG: 1944 baute der VSSM ein eigenes Bildungszentrum an einem Ort, der kaum erschlossen war. Das müssen Spinner gewesen sein.
BRUNO KRUCKER: Nein, das waren Visionäre. Stellen Sie sich das mal vor: Die Leute haben ein Haus für die Bildung gebaut, obwohl es noch gar kein richtiges Bildungssystem gab. Sie machten das, weil sie merkten, dass die Bildung enorm wichtig ist. So wichtig nämlich, dass der Verband selber die Fäden in die Hand nehmen musste. Er wollte die Entwicklung steuern, und das zeugt von grossem Verantwortungsbewusstsein. Aber klar, ein bisschen haben Sie schon recht. Man baute ein Haus, das damals bloss sieben Wochen im Jahr gebraucht wurde. Budgetiert waren 200 000 Franken, und es kam zu einer Kostenüberschreitung von mehr als 100 Prozent. Doch das waren ja nicht die ersten Visionäre, die sich bei den Kosten verrechneten.
Vielleicht war der Verband damals der Zeit voraus. Trotzdem fragen sich sicher einige, ob es richtig ist, im Jahr 2019 an diesem Ort eine Schule zu betreiben.
Kritiker gibt es immer, damit müssen wir leben. Rein geografisch sind wir wohl, wie einige sich ausdrücken, etwas «am Ende der Welt». Allerdings sind wir keine 30 Kilometer vom Mittelpunkt der Schweiz entfernt, das muss auch noch gesagt sein. Und wir sind extrem nah dran an den Schreinerinnen und Schreinern, weil wir ein Teil des VSSM sind und deshalb immer den Mitgliedern den Puls fühlen können. Das ermöglicht es uns, aktuell zu sein und sofort auf Entwicklungen zu reagieren. Und dann, das wissen Sie auch, geht es nicht immer nur ums Lernen, sondern auch um Kameradschaft, um Vernetzung in einer Bildungsgemeinschaft. Unter diesem Aspekt ist die Lage der HF Bürgenstock ein Vorteil. Hier oben ist es wie in einem Klassenlager.
Tausende junge Berufsleute haben in den letzten 75 Jahren eine Ausbildung auf dem Bürgenstock absolviert. Sollen sie nächstes Jahr alle auf den Bürgenstock zur Jubiläumsfeier pilgern?
Nein. Wir haben uns dazu viele Gedanken gemacht. Und wir sind zum Schluss gekommen, dass ein grosses Bier- und Bratwurst fest an diesem Ort keinen Sinn macht, weil vielleicht einige ehemalige Absolventen auch gar nicht mehr so mobil sind. Wir möchten die Leute von zu Hause aus am Jubiläum teilnehmen lassen. In der SchreinerZeitung ist eine lose Serie geplant, in der mit Kurzgeschichten episodenhaft auf 75 Jahre HF Bürgenstock zurückgeschaut wird. Da ist immer wieder etwas zum Schmunzeln dabei.
Ab dem 1. Januar haben wir ausserdem eine Jubiläums-Internetseite, auf der man vieles entdecken kann. Auf diese Weise können wir das Jubiläum über längere Zeit warmhalten, es verpufft nicht nach einem einzigen Anlass. Höhepunkt wird dann sicher die Messe Holz im Oktober 2019 sein. Dort wollen wir dem Jubiläum einen würdigen Platz einräumen, und selbstverständlich wird unser Stand auch ein Ort der Begegnung sein, wo wir Ehemalige treffen und uns mit ihnen unterhalten können. Auch auf dem Bürgenstock selber wird sich natürlich hin und wieder die Gelegenheit zum Zurückschauen bieten. Gerne führen wir zum Beispiel ehemalige Klassen oder Berufsschulen durch das Haus. Wer Interesse hat, kann sich einfach bei uns melden.
Schauen wir nicht nur zurück, sondern auch nach vorn: Wo steht die HF Bürgenstock in 25 Jahren?
für die Zukunft. Wir müssen nicht primär in der Menge gut sein, sondern in der Qualität. Unser Anspruch ist es, dicht am Markt dranzubleiben und Impulse zu setzen. Der VSSM betreibt dieses Haus, weil er die Schreinerinnen und Schreiner, weil er die ganze Branche in Bewegung halten will.Alle sollen sehen, dass sie sich bilden müssen, um im Beruf weiterzukommen. Wir bieten dafür Wege an. Doch letztlich ist es nicht so wichtig, an welchem Bildungsinstitut die Schreiner ihren Horizont erweitern. Hauptsache ist, dass sie es machen und sich und die Branche weiterbringen.
Bruno Krucker (64) ist seit 1984 an der Höheren Fachschule Bürgenstock tätig, seit 2000 in der Funktion des Schulleiters.