Durchgängigkeit: Abwarten und Tee trinken ist kein Plan

Digitalisierung steht und fällt vor allem in der Anfangsphase mit den wenigen, beteiligten Schlüsselpersonen (Bild: HFB).

Wohin führt die zunehmende Digitalisierung das Schreiner-Handwerk in Zukunft? Diese Frage stellen sich immer mehr in der Branche. Bevor man als Betrieb die passenden Antworten findet, gilt es die richtigen Fragen zu formulieren.

Erich Amgwerd

Autor/in:
Erich Amgwerd

SchreinerZeitung, 20. August 2020
 

Das Thema ist omnipräsent auch für die Schreiner-KMU. Viele Betriebe tun sich aber schwer damit, für sich spezifisch Gefahren und Nutzen einzuschätzen. Dass die Notwendigkeit zur Optimierung gegeben ist, lässt sich wohl nicht abstreiten. Der Produktionsstandort Schweiz steht enorm unter Druck. Ohne effizienten Auftragsablauf ist wirtschaftliches Überleben schwierig. Ist unser Modell KMU jetzt und in unmittelbarer Zukunft noch wirtschaftlich? Viele Betriebe suchen deshalb permanent Mittel und Wege zur Optimierung, um am Markt bestehen zu können. Hier drängt sich die Digitalisierung als (All)heilmittel auf. Aber ist es wirklich zweckmässig, bei allen Arbeitsprozessen auf dieses Pferd zu setzen? Schnell tauchen zentrale Fragen auf, nämlich die Kernfragen zur Betriebsoptimierung mit digitalen Werkzeugen:

  • Geht Prozessoptimierung auch ohne Digitalisierung?
  • Welche Systeme sind geeignet für meinen Betrieb und meine Produkte?
  • Wann ist der richtige Zeitpunkt dafür?
  • Mit welchem Initialaufwand und mit welchem Bewirtschaftungsaufwand ist zu rechnen?
  • Wo will ich mit meinem Betrieb hin? Was ist das Ziel?
  • Was bringt mir einen Vorteil gegenüber dem Kunden/Markt?
  • Gewinne ich dadurch mehr Aufträge?
  • Werde ich produktiver/effizienter?
  • Schränke ich mich ein oder werde ich flexibler?
  • Finde ich genügend kompetente Arbeitskräfte?

 

Wo stehen die Schreiner-KMU?

Die Wichtigkeit ist längst erkannt. Die Chancen werden mehrheitlich positiv bewertet. Die Betriebe wollen am Ball bleiben. Aufwände, Kosten und nötige Kompetenzen der Mitarbeiter werden als wesentliche Risiken erkannt. Vielen liegt das Handwerk als Grundkompetenz am Herzen. Betriebe, die durchgängige Systeme betreiben, mahnen zwar, den Initialaufwand sowie die Bewirtschaftung nicht zu unterschätzen, sind aber in der Regel von ihrem Weg überzeugt.

Wohin geht die Entwicklung?

Momentane Lösungen werden vielfach als komplex und aufwendig wahrgenommen. Sämtliche Systeme haben den grossen Nachteil, die Belastung in der Projektleitung weiter zu erhöhen, dafür die Produktion schneller zu machen. Die Systeme mit Stärken bei «Losgrösse 1 und Flexibilität» werden klar bevorzugt. Durchgängigkeit nur für serielle Fertigung ist schon lange vorbei. Das lässt sich klar durch das Verhältnis Betriebsgrösse, digitale Wertschöpfungskette, Produkte erkennen.

Sind Handwerk und Stellen bedroht?

Es war schon immer so, dass bestehende Berufsbilder in der Schreinerei einer Veränderung unterworfen sind. Dass durch die Digitalisierung direkt Stellen verloren gehen, bestätigt sich indessen nicht. Vielfach erhöht sich aber mit gleicher Anzahl an Mitarbeitern der Produktionsdurchsatz. Betriebe, die diesen Weg gehen, neigen also zum Wachstum.

Der Wille zur Weiterentwicklung bei den Mitarbeitern ist aber gefordert; zusätzliche Mitarbeiter mit entsprechender Kompetenz zu finden, gestaltet sich schwierig. Generell ist die Affinität des Personals zu digitalen Hilfsmitteln und Lösungsansätzen wichtig. Zwei Beispiele: Der CNC-Maschinist bringt sein Wissen vermehrt Richtung CAM-Schnittstellen ein, anstatt an der CNCMaschine zu programmieren. Der Monteur organisiert sich auf der Baustelle mit Live-Auftragsdaten und Tablet.

Vermehrtes digitales Know-how wird schon ab der Berufslehre vielfach vorausgesetzt. «Digital Natives» bringen zwar viele neue Inputs mit, die prozessorientierte Denkweise fehlt aber vielfach. Demgegenüber tun sich viele «alte Hasen» schwer, ihre Arbeitsweise aktiv zu hinterfragen und neue Lösungsansätze zu implementieren. Die Digitalisierung löst keine Probleme, geschweige denn kann sie Kommunikationsschwierigkeiten überwinden, wenn ein Konflikt oder mangelnde Führung die Ursache ist.

Digitalisierung ist nur ein Werkzeug unter vielen. Ob und wie dieses Werkzeug zur aktuellen Problemstellung passt, ist je nach Situation zu prüfen. Wie bei jeder Betriebsoptimierung muss das Verhältnis von Aufwand und Ertrag in einem gesunden Verhältnis stehen. Dabei ist nicht nur der Initialaufwand zu beachten, sondern ebenso auch der spätere Bewirtschaftungsaufwand.

Alle müssen an einem Strick ziehen

Die menschliche Komponente ist nicht zu unterschätzen. Digitalisierung steht und fällt vor allem in der Anfangsphase mit den wenigen Schlüsselpersonen. Nur, wenn alle am gleichen Strick ziehen, stellt sich der Erfolg ein. Der Wunsch der Schreinereien nach smarten Lösungen über die ganze Auftragsbearbeitung verstärkt sich zusehends. Vielen sind die Systeme am Markt zu komplex und sie suchen einen pragmatischeren Lösungsansatz, um für ihre Zwecke effizienter arbeiten zu können.

Es braucht vermehrt digitales Know-how und Möglichkeiten, sich dieses anzueignen. Dies auf allen Anwenderstufen. Neutrale Beratungsleistungen helfen vor allem unerfahrenen Schreiner-KMU, möglichst wenig Lehrgeld bezahlen zu müssen. Stillstand ist Rückschritt. Es ist offensichtlich, dass die Entwicklung enorm Fahrt aufgenommen hat. Die gesamte Schreinerbranche ist gefordert, auf diese Bedürfnisse entsprechend zu reagieren. Auf die Frage «Digitalisierung – Quo vadis?» lässt sich nur eines sicher sagen: Sie ist unaufhaltsam und nicht umkehrbar. Die Kunst dabei ist, die Essenz unseres Schreinerhandwerks zu bewahren und trotzdem neu zu interpretieren. Das digitale Schreiner-Herz schlägt künftig wohl noch schneller, es ist aber weiterhin aus Holz.

Zum Autor: Fachmann für C-Technologien

Der Autor dieses Beitrags, Erich Amgwerd ist an der Höheren Fachschule (HF) Bürgenstock im Bereich Schulung und Moderation für Computer- Technologien tätig. Ausserdem arbeitet er beim VSSM an der Enwicklung neuer Schulungsangebote zur Digitalisierung mit. Das C-LAB der HF Bürgenstock hat sich zum Ziel gesetzt, als Navigator zur fungieren. Dies bedeutet, nicht wertende, neutrale Informationen für Schreinerbetriebe anzubieten. Die Grundlage bildet die C-LAB-Testumgebung mit aktiven, durchgängigen Systemen vom Auftragseingang bis zur Produktion (siehe Grafik unten).

www.c-lab.ch

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